das denkt eine berliner Tierärztin nach über 50 jahren Berufserfahrung (ja richtig gelesen-die Frau scheint unkaputtbar zu sein):
Aus dem "Mitteilungsblatt für Hundefreunde", erschienen im PSK 1895 e.V, Autorin ist die 1. Vorsitzende der Landesgruppe Berlin, Frau Dr. vet. med. Susanna Keil Kastration beim Rüden Immer freue ich mich, wenn ich von Mitgliedern Anfrage zu verschieden Gebieten bekomme. Da schreibt Frau A. Rinder, ob ich einmal Stellung nehmen möchte zu der unseligen Sitte vieler Hundebesitzer (besonders Rüdenbesitzer), ihre Rüden kastrieren zu lassen. Frau Rinder hat einen außerordentlich freundlichen Hund, der sich niemals mit Rüden rauft, eher den Stänkerer alleine stehen läßt, der natürlich weiß, wann eine Hündin läufig ist, sich aber fügt, wenn die Hündin ihm unmißverständlich "sagt", daß sie keine Annäherung wünscht. So ist der Niko also ein ausgeglichener, gut zu führender Hund ohne Probleme, wenn ... ja wenn ...wenn da nicht z. B. im Grunewald oder anderen Hundeauslaufgebieten die vielen kastrierten Rüden wären. Diese werden ohne viel Federlesens besprungen, unterdrückt und auch bepinkelt. Nun zu den Anfängen. Früher, manchmal komme ich mir vor, als müßte ich schon sagen: "zu meiner Zeit", also früher kam kaum jemand auf die Idee, seinen Hund kastrieren zu lassen. Wir hatten uns die Hunde als Welpen gekauft, je nach persönlichem Wunsch, Rüde oder Hündin, wobei die potentiellen Rüdenbesitzer nicht die angeblichen Lästigkeiten einer läufigen Hündin auf sich nehmen wollten, während die Anhänger der Hündinnen meinten, eine Hündin wäre anhänglicher. Wir haben die neu gekauften Welpen erzogen zu gut verträglichen Familienmitgliedern, haben die Flegeljahre der Hunde mit manchem Adrenalinausstoß gut überstanden, haben auch mal einem Schutzengel danken müssen, wenn etwas nicht gleich beim ersten Mal klappen wollte in puncto Gehorsam. Aber, wir waren 12 oder 15 oder mehr Jahre glücklich mit unseren "naturbelassenen" Tieren. Nein, heute ist das anders. Heute wird ein kleiner Hund schon beim Züchter gekauft, mit dem Anspruch, einen vollwertigen, gut erzogenen Hund zu erhalten. Und zwar soll der Hund nicht nur als Welpe freundlich, vollwertig und gut erzogen sein, sondern er soll auch bleiben ohne viel Zutun der neuen Besitzer. Die Züchter erfüllen heutzutage nach bestem Wissen und Gewissen diese Aufgabe. Wenn man bedenkt, welche Auflagen heute an eine Zuchtstätte gestellt werden, so ist das schon beachtlich, daß sich überhaupt noch Züchter finden. Aber es hat sich herumgesprochen, daß Welpen mit einer guten Grundlage in der Haltung einen großen Vorsprung im weiteren Leben haben. Der künftige Welpenbesitzer geht, weil er sich kundig gemacht hat, mit dem kleinen Hund in eine Welpenschule. Die Welpenschule wird dann ausgeweitet in eine Junghundschule und da gibt es schon manchmal Probleme. Es gibt verschiedene Hunderassen und damit auch verschiedene Temperamente, ja sogar bei der gleichen Rasse und auch bei Wurfgeschwistern gibt es verschiedene Temperamente. Das ist heute kaum noch gefragt. Alle werden über einen Kamm geschoren und jede Rasse hat mit acht oder neun Monaten so zu reagieren wie manche Golden Retriever, zu jedermann freundlich, unterwürfig zu allen Hunden, artig neben dem Besitzer einher" latschen" ohne irgendwelche Ausbruchversuche oder Annäherungsversuche zu anderen Hunden. Ich weiß, das ist etwas übertrieben, es gibt auch Golden Retriever mit Temperament, aber das ist nicht unbedingt artspezifisch. Nun also die Junghundschule, hier bekommt der eifrige und lernwillige Besitzer nicht unbedingt die nötige Unterstützung, die er braucht, er bekommt die leuchtenden Vorbilder stets vorgehalten und kommt damit in einen Zustand des ewigen schlechten Gewissens, bekommt Minderwertigkeitskomplexe, daß er nicht fähig ist, seinem Hund in dieser Phase den unbedingten Gehorsam beizubringen. So wurde in einer "Hundeschule" einer Hundebesitzerin, deren Welpe mit 10 Wochen etwas Unsicherheit bei bestimmten großen Hunden zeigte, erklärt "Der ist ja ängstlich, da müßen Sie aber dringend etwas machen!" Antwort der Besitzerin: "Dreimal dürfen Sie raten, warum ich hier bin!" Früher hieß es größtenteils mit Recht, daß die Hunde nichts taugen, wenn normale Leute nicht mit den Hunden klarkommen und die Erziehung nicht sofort oder auch später nicht gefruchtet hat. Heute hat nach vorherrschender Meinung "immer" der Besitzer schuld, wenn sein Hund mit fünf oder sechs Monaten nicht perfekt gehorcht. Es mag daran liegen, daß heutzutage die Hunde perfekter sein müssen und man die Hunde nicht mehr Hunde sein lässt. Ganz besonders schwer haben es hier (unter anderem) die Schnauzerbesitzer mit ihren halbwüchsigen Rüden. Und nun kommt der Ehrgeiz der Besitzer auf der einen Seite und trifft sich mit den sog. "Guten Ratschlägen" andererseits und all das zusammen fällt auf fruchtbaren Boden, nämlich die Kastration des Rüden beseitigt alle Mängel. NEIN, Die Kastration ist auf gar keinen Fall ein Erziehungsmittel!!! Leider stimmen auch viele Tierärzte, Hundeausbilder und liebe Nachbarn in den Chor ein. Und dann wird eben kastriert, den kleinen Rüden fragt man ja gar nicht, der weiß auch nichts von den Nebenwirkungen für sein späteres Leben. Aber es gibt Nebenwirkungen: kastrierte Rüden neigen zur Fettleibigkeit, man kann sie also letztlich niemals richtig satt füttern, oder man verzichtet auf einen drahtigen wohlgestalteten Hund. Selbst wenn man die Futtermenge klein hält, bleibt die vermehrte Bildung von Unterhautfettgewebe bestehen. Die Haut wird lockerer, besonders über den Rippen. Das Fell wird weicher, es wächst mehr Unterwolle, gut, das kann man durch vermehrtes Trimmen ausgleichen, aber die Härte des Grannenhaares geht verloren. Die Kastraten bekommen einen typischen weiblichen Ausdruck, aber auch einen weiblichen Geruch. Jedes Lebewesen hat in seinem Körper ein Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Hormonen. Dabei überwiegen natürlich die Geschlechtshormone, je ob es ein männliches oder weibliches Individuum ist. Nimmt man nun beim Rüden die Hoden, so fällt die hauptsächliche Produktionsstätte für die männlichen Hormone weg. Da aber auch Hormone in der Nebenniere gebildet werden, bekommen hier in diesem Falle die weibliche Hormone die Übermacht, weil ja das Gegengewicht der männlichen Hormone aus den Hoden fehlt. Daher riechen diese Rüden nach weiblichen Hunden und werden von anderen Hunden wie eine läufige Hündin behandelt. D. h. sie werden von den ganz normalen bestiegen. Da aber das Besteigen nicht nur eine sexuelle Handlung ist, sondern auch ein Dominanzverhalten, sind die Konflikte vorprogrammiert. Aus diesem Grunde, sind die Konflikte nicht nur mit Rüden vorprogrammiert, sondern auch mit Hündinnen. Viele Hündinnen werden aus diesen natürlichen Gründen aggresiv gegen solche Kastraten. Soweit zu den Tatsachen, die ich seit Jahren versuche Rüdenbesitzern, besonders denen mit Junghunden, zu erklären. Obwohl mir mache Operation mit dieser Meinung entgeht. Sie beweisen sich durch Beobachtungen vieler kastrierter Rüden und, nicht zuletzt, auch durch die Klagen vieler Hundebesitzer, die die Sache gern rückgängig gemacht hätten, eben wegen der Nachteile für den Hund. Nun soll überhaupt nicht mehr kastriert werden? Doch, es gibt nämlich klinische Indikationen, bei denen eine Kastration angezeigt ist. Das ist einmal bei Hodentumoren, die aber immer erst im späteren Leben des Rüden, wenn überhaupt, auftauchen. Eine andre Indikation ist die Perinealhermie, die überwiegend bei Rüden auftritt, auch hier im fortgeschrittenen Alter. Diese Perinealhernien können und müssen operiert werden, sie sind nicht vollständig heilbar, aber aus wissenschaftlichen Untersuchungen weiß man, daß eben durch die Reduzierung der männlichen Hormone, sprich Kastration, die Rückfälle verhindert werden können. Das gleiche gilt für die Analtumoren, das sind meist gutartige Tumoren um den After. Ein weiterer Grund, eine Kastration beim älteren Hund in Betracht zu ziehen, sind Erkrankungen der Prostata. Hier gibt es, wie beim Menschen, eine gutartige Vergrößerung der Prostata, die in der Regel ohne Symptome bleibt. Es gibt aber auch Vergrößerungen, die Beschwerden machen (beim Kotabsatz, selten beim Urinabsatz) oder Tumoren, bei denen der nachlassende Hormoneinfluss nach einer Kastration die Beschwerden deutlich mindert. Und noch ein heikler Punkt muß angesprochen werden, das sind die Kryptorchiden. Das sind die Rüden, bei denen durch eine Fehlentwicklung während des Wachstums ein oder beide Hoden nicht im Skrotum liegen. Auch hier wird ganz schnell zum Messer gegriffen und zwar mit der Aussage, dass diese Hoden tumorig entarten können. Auch hier ist Aufklärung nötig. Es stimmt, daß diese Hoden prozentual eher entarten als Hoden, die eine normale Entwicklung durchlaufen haben und im Hodensack liegen. Aber !!! auch diese Hoden entarten ja nicht gleich im Welpen oder Junghundalter, sondern auch erst, wenn das Tier schon älter ist, dann ist eine Operation natürlich angezeigt. Da diese kryptorchen Hoden meist in der Leiste liegen, sind sie leicht zu ertasten und auch die Operation ist nicht unbedingt schwierig. Aber bis zu dieser Operation, falls sie wirklich nötig werden sollte, hat der Hund eine richtige normale Entwicklung hinter sich. Es ist heute Mode geworden, gesunde Hunde Operationen zu unterziehen, mit der Begründung, sie könnten später an dieser oder jener Erkrankung leiden, die durch eben diese Operation verhindert wird. Es bekommen doch aber nicht alle Rüden Tumoren oder Erkrankungen an der Prostata, denen man vorbeugen muss. Seltsamerweise besteht im Ausland z. B. Dänemark oder der Schweiz diese Befürchtung nicht, dort werden sehr viel weniger Rüden kastriert, woran liegt das wohl?
Ein super Klasse Artikel bzw. Statement von dieser unkaputtbaren Tierärztin - und bringts mal sowas von auf den Punkt ! Danke für's Einstellen Julia !
Leider, leider, leider ist es tatsächlich so, dass viele (u. unverständlicherweise immer mehr) Hundehalter dem Irrglauben unterliegen mit der Kastration könnten Rüden-Verhaltens-Probleme gelöst werden.
Sehr schön beschrieben und interessant. Meine beiden Rüden waren bis zum Schluß im Alter von 12 Jahren vollständig. Außer das es immer mal genervt hat wenn heiße Hündinnen in der Nähe waren, da gab es tagelang kein fressen und Heulkonzerte, aber auch das ging vorbei.
Ganz toll beschrieben, aber die Frage bezüglich Dänemark und Schweiz kann ich auch nicht beantworten, würde mich aber trotz allem auch mal interessieren!
Ich mag ja auch gern diesen Text von Frau Dr. Gabriele Niepel bzgl. Frühkastration :wegweis:
Himmel, endlich mal eine TA die ausspricht was ich jeden Tag denke. @Janine: die G. Niepel hat generell sehr interessante Sachen geschrieben, unter anderem hat sie eine riesen Studie zum Thema Kastration gemacht und verfasst (Hündinnen und Rüden - kastriert und intakt) - super interessant und eine wirkliche Orientierungshilfe!
Hab ich schon oft Leuten ans Herz gelegt.
Wenn du denkst Hunde können nicht zählen, dann steck 3 Leckerchen in Deine Tasche und gib Deinem Hund nur zwei davon... Phil Pastoret Tam dii, dai dii. Tam chua, dai chua ** Tue Gutes, erfahre Gutes ; tue Böses, erfahre Böses.
Wenn du denkst Hunde können nicht zählen, dann steck 3 Leckerchen in Deine Tasche und gib Deinem Hund nur zwei davon... Phil Pastoret Tam dii, dai dii. Tam chua, dai chua ** Tue Gutes, erfahre Gutes ; tue Böses, erfahre Böses.
Die Studie von Dr. Gabriele Niepel hab ich auch - die ist ebenfalls superklasse ! Sehr sehr interessant, kann mich Xenia's Empfehlung nur anschliessen.
Wenn du denkst Hunde können nicht zählen, dann steck 3 Leckerchen in Deine Tasche und gib Deinem Hund nur zwei davon... Phil Pastoret Tam dii, dai dii. Tam chua, dai chua ** Tue Gutes, erfahre Gutes ; tue Böses, erfahre Böses.
HM...aslo seit Farso kastriert ist, stehe ich dem ganzen etwas anders gegenüber. Für mich zielt der Artikel hauptsächlich darauf ab, dass man seinen Hund nicht zu früh kastrieren sollte.
Ein wirklich guter Artikel - auch ich würde eine Kastration aus "erzieherischen Gründen" bei einem normal sozialisierten Hund immer ablehnen. Aber ich muss sagen, dass sich das Verhalten meines kleinen Manolito (der von Hand aufgezogen wurde und nie eine Prägung durch Altersgenossen erfuhr) durch die Kastration schlagartig geänert hat - alle hormongesteuerten Aggressionnen waren nach wenigen Tagen verschwunden und darüber war ich sehr froh - denn er ist / war total auf mich geprägt und alle Aggressionen und Beissattacken richteten sich ungebremst gegen mich und ich habe mehr als 10x einfach nur verzweifelt dagesessen und vor Schmerzen einfach nur geheult. In allerletzter Konsequenz KANN eine Kastration also helfen - vor allem dem Hund, denn der wusste vorher gar nicht, was ihn da ritt ...
Ich möchte dazusagen, dass ich zeitlebens Hunde hatte, meistens sehr grosse, aber dieser kleine Knirps, den ich - und da bekenne ich mich 100 pro schuldig - wirklich verpäppelt habe, damit er nur ja überlebt, war der schwierigste Hund, den ich je in meinem Leben hatte - inzwischen ist er bis auf ein paar Macken ein völlig normaler Hund.
Nachtrag: Er war schon etwas mehr als 2 Jahre alt, als ich mich endlich zur Kastration entschloss.
Super Artikel, würde meine Buben, außer bei med. Problemen, niemals kastrieren lassen. Manchmal bekommt man den Eindruck das KAstration eine Pflichtveranstaltung ist und man nur dazu gehört, wenn der Hund kastriert ist! Die "Bällchen" bleiben dran!!
Super Artikel, habe in letzter Zeit ( nicht in diesem Forum) immer öfter gehört, man solle einen Rüden kastrieren, damit er nicht so "schwierig" ist. Das kam und wird für die Rüden in meinem Haushalt niemals in Frage kommen. Es sei denn, es wäre wirklich medizinisch notwendig. Schön, dass es Fachleute gibt, die ganz und gar dieser Meinung sind!:brav:
Das Bully Forum
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29.06.2008 20:44
Antworten
. Meine beiden Rüden waren bis zum Schluß im Alter von 12 Jahren vollständig. Außer das es immer mal genervt hat wenn heiße Hündinnen in der Nähe waren, da gab es tagelang kein fressen und Heulkonzerte, aber auch das ging vorbei.
Janische, das ist ebenfalls eine super klare Aufklärung und viele Hundehalter sollten sich mal diese Seite durchlesen.
Das kam und wird für die Rüden in meinem Haushalt niemals in Frage kommen. Es sei denn, es wäre wirklich medizinisch notwendig. Schön, dass es Fachleute gibt, die ganz und gar dieser Meinung sind!:brav:
